Isi Adolph aus dem Boulderwelt-Athletenteam auf Abenteuer Steward Island

Wenn man nicht mehr Chalk auf der Hose und in den Haaren hat, sondern Matsch bis zu den Knien und den halben Wald in den Haaren…

Wenn man nicht mit Crashpad durch den Wald stiefelt und nach Felsen sucht, sondern mit fettem Rucksack in Matsch oder Flüsse fällt und nach Schildern, Stränden oder einer Hütte Ausschau hält..

Wenn man nicht Päuschen aufm Crashpad macht mit vielen guten Snacks, die man einfach nachkauft wenn sie ausgehen, sondern man mitten im Wald hockt und man die abgezählten Riegel als Motivation und Belohnung für die nächsten 2,3,4,5 Stunden bushwalking snackt..

Wenn man keine Ruhetage für die kaputte Haut macht, sondern man Ruhetage auslässt, obwohl man wegen klapprigen Knien, Blasen und geschwollenen Füßen kaum noch aufstehen kann, um möglichst schnell aus dem Wald rauszukommen…

Wenn man nicht seine Finger tapt sondern ‘Hüftspecktape’ für sich entdeckt, weil der Rucksack scheuert..

Wenn man nicht gemütlich Kaffee am Fels kocht, sondern eines der Highlights des Trips ist eine heisse Schoki von einem Jäger auf einer Hütte abzustauben..

Wenn du auch nicht wie die meisten anderen Mädels Kalorien zählst sondern anfängst Müsliriegel abzuzählen..

Wenn bergab langsamer und schlimmer ist als bergauf, da die Knie mal wieder geölt werden müssten..

Wenn du mehr Ratten pro Tag siehst als Menschen in einer ganzen Woche..

Wenn dein neues Deo das Anti-Sandfly-Spray ist…

Wenn die umgestürzten Bäume zu dick sind, um drüber zu steigen und man selbst zu dick ist um unten durch zu kriechen..

Und wenn du es nicht nochmal machen würdest aber froh bist es gemacht zu haben..

… dann weisst du schon ziemlich genau über das Inselabenteuer von Lucy & mir Bescheid, doch hier ne Zusammenfassung..

Mit meiner langjährigen Nachbarin und guten Freundin Lucy, mit der ich Laufen, Sprechen, Radlfahren,… gelernt habe, wagte ich eine 10 Tages Wandertour, ca. 130 km, auf einer kleinen Insel südlich der Südinsel Neuseelands mit nur einem Ort und somit einer Gesamteinwohnerzahl von ca. 600 Leuten. Eine einstündige Fährenfahrt brachte unsere gut 60 kg Körpergewicht und unsere 25-30kg Rucksäcke auf die Insel. Voller Motivation starteten wir mit zwei Karten, einen Emergency Locator und Notfall Schoki, Essen für 10 Tage, Gaskartuschen und Toepfchen, bisschen Kleidung,.. dann Mittags los. Schon am ersten Tag schafften wir rückblickend eine der schlimmsten Etappen. Denn der Rucksack war einfach schwer und der Weg lang! Deswegen dauerte alles länger als gedacht und wir lernten auf der Stelle, dass Karte 1.0 nicht verlässlich war und die Etappenbeschreibungen auch deutlich in der Kilometerangabe abweichen.. So wurden aus 6-7h mal gute 8h, davon 4h gleich durch tiefen Matsch. Schon recht müde traten wir die zweite Hälfte an, doch noch optimistisch. Der Optimismus verließ uns als es ständig auf und ab ging, was auf der Karte nicht rauszulesen war. Mit Aggression auf die Karte und mit der Dämmerung auch steigenden Hunger wartschelten und rutschten wir weiter durch den Wald. Nach 7.5h erreichten wir dann endlich nen Strand und von da war es dann nicht mehr weit sodass wir nach 8h Stunden laufen und seit 6.30h auf den Beinen sein, abends um 20.30h endlich K.O. ankamen. Für den ersten Tag hatten wir noch Luxus Essen dabei und so gabs 500g Nudeln mit 300g Sosse und Thunfisch!! (ich hab wsl 300g Nudeln gehabt, aber ist ja nichts neues). Da war der Rucksack jedenfalls für den nächsten Tag leichter!! Müde fielen wir dann gleich ins Bett, denn am nächsten Tag standen 11.5km, ca 6h an.. Das Zeit-Weg Verhältnis kam auch uns anfangs komisch vor doch es war bittere Realität aufgrund des Weges..

Am zweiten Tag fluchten wir viel, denn diesen Trip hatten wir uns anders vorgestellt. Täglich mindestens 6h durch den Wald in tiefstem Matsch versinken entsprach nicht unseren Erwartungen.. Wir lernten schnell, dass jammern nicht hilft und wir einfach unsere Füsse voreinander setzen mussten bis wir an der nächsten Hütte ankommen würden, dass man die wenigen Strände auf unseren Wegen nicht mit Pausen oder bisschen schwimmen geniessen konnte, da man sonst von Sandflies wortwörtlich aufgefressen wird, dass Schilder höchstens 1-10min vor der Hütte zu finden sind und dass Inseln ganz schön viele Flüsse und Berge haben, die auf der Karte nicht zu sehen sind.

Schon bald hatten wir ein Tagesritual:

-Zwischen 7:00 und 8:00 Aufstehen, Frühstücken und Tee trinken, Magnesium schmeissen, fertigmachen, packen, los

-3h laufen, Riegel snacken, nach 4h lunch, nach 5h noch ein Riegel und dann nach 6/7h ankommen. Egal wie schnell die ersten 4h verfolgen, die letzten 1-2h waren immer ziemlich kotzig!!

– Ich mache Feuer, Lucy macht schon mal Essen (üblicherweise Couscous); nachm Essen wieder Magnesium schmeissen

-Tagebuch schreiben und mit Sonnenuntergang Zähneputzen und dann bei Dunkelheit schlafen

Tag fünf war ein Highlight Tag, da wir nochmal schneller als die Zeit waren, obwohl eh nur 4-5h anstanden, wir bei einem recht langen schönen Strandstück barfuß im kalten Wasser entlang liefen, die Hütte wunderschön war mit Meerblickpanorama und coolen Felsen daneben und wir einfach mal nen Nachmittag zum relaxen hatten! Und weil wir ‘frisch’ waren, da wir am Vortag in nen Fluss hüpften, um uns zu ‘waschen’. Wir hatten natürlich wieder geschwitzt ohne Ende, aber muss ja keiner wissen, bzw interssierts eh keinen weil wir irgendwo im nirgendwo 4-5 Tage Fussmarsch von der ‘Zivilsation’ Oben entfernt waren…

Tag sechs lief verkehrt rum, denn der Anfang war zarch und das Ende BÄÄÄÄÄÄMM! An einem wunderschönen Lookout machten wir Lunch und von da waren es nur noch 30min zu nem traumhaften Strand und weitere 15min zur Hütte, wo wir Possum Hunter Craig kennenlernten. Der verbrachte 48 Tage hier und nahm freundlicherweise unseren Müll mit und teilte Schoki mit uns!

Am siebten Tag ruhten wir nicht, obwohl wir des mal hätten gebrauchen können. Stattdessen lagen 7h vor uns, die wir zwar tollpatschig in Form von paar hübschen Stürzen in den Matsch oder Fluss letztendlich doch meisterten. Der Hunger war heute groß, sodass wir bisschen was von unseren Reserven vernichteten.. Der Hunger wurde trotz allem nicht gestillt, aber wir hatten ja nicht viele Optionen und mussten bis zum Frühstück warten. Bis dato hatten sich übrigens auch schon ein paar Wehwehchen angesammelt:

Lucy eine geprellte Hand, überlastete Knie, eine geschwollene Achillisehne und aufgeschrammte Hüften die sie alla Hüftspecktape an inzwischen Ecken und Kanten statt Rundungen täglich verarztet.

Bei mir warens zum Glück ‘nur’ die Knie, die Probleme machten und mein großer Zeh war ziemlich taub..

Top in Form also starteten wir in unseren längsten Tag: ca 30.5km und 10-11h und die Strecke mit den meisten Höhenmetern. Hier übersprangen wir eine Hütte um schneller ausm Wald rauszukommen und mehr Essen zu können 😀
Der erste Part war mal wieder 7h und dank der Flut mussten wir leider die High-Tide-Route nehmen und das verlangte uns Zeit und viel zu viele Powerkörner ab. Ungelogen- ich hab noch nie so geschwitzt! Seid ihr schon mal nach 5.5h laufen mit fettem Rucksack eine Sandduene auf allen Vieren hochgekrochen und habt auf ner Wurzel gemantelt? Ja war auch bei mir Premiere. #LebenamLimit. Nach gut 8h um 17h abends kamen wir dann an der Hütte, die wir überspringen wollten, an und 15km aber zum Glueck flach (3-4h) lagen noch vor uns. Die Sehnsucht nach anderer Umgebung als Wald trieb uns tatsächlich weiter. Lucy hatte völlig fertige Knie und nen geschwollenen Klumpfuss, sodass wir zwar langsam aber konstant vorankamen. Begleitet von Musik setzten wir dann die letzten zwei Verzweiflungsstunden mit Stirnlampen einen Fuss vor den anderen und erreichten gegen 21h endlich unsere Zielhütte! Vernünftigerweise hatten wir noch gekocht bevor wir dann einfach scheintot ins Bett fielen. Doch wie sollten wir uns in einer Nacht für nen weiteren 6-7h Marsch regenerieren? Das waren dann aber erst die Sorgen des nächsten Tages..

Direkt beim Aufwachen merkten wir, dass der Vortag in unseren Knochen, Muskeln, Gelenken, Nerven, Sehnen, Bändern,… tieeeeeef fest sass.. Lucys Blase scheuchte sie noch vor dem Weckerklingeln auf aber sogleich war klar mit scheuchen, fetzen oder ähnliches war da nix!! Stacksen, humpeln, kriechen ist eher die richtige Beschreibung. Ich bin beim Aufstehen fast hingefallen, weil alles weh getan hat und jeder Muskel kraftlos war aber schaffte es zur Bank. Die oiden klapprigen Oma Knie & sexy hexy Wanderwadeln erlauben es nicht mehr das Hüftspecktape in die Hocke zu manövrieren. Die bevorstehenden 6-7h verdrängten wir zu diesem Zeitpunkt noch. Doch als wir 2.5h nachm Aufstehen danns mal schafften loszulaufen war eigentlich alles weitgehend so wie immer.. Also: Let’s fetz! Erstaunlichst geschmeidiger Anfang!! Und dafür aber ein absolut kotziges und zarches Ende.. Wir erreichten die Matschtopwerte und erklommen dann den Berg indem wir einen Fluss aufwärts wateten. Gleich danach eierten wir ihn im halben Tempo wegen den müden Haxen und schmerzenden Knien wieder runter.. Laut Karte wäre kurz vor der Hütte noch ein Berg gewesen, den wir bis heute nicht gefunden haben doch stattdessen war die Hütte weiter weg als gedacht sodass wir wieder 2 Stunden der Verzweiflung hatten bis wir die letzte Huette unseres Trips erreicht hatten und eigentlich wieder in der Zivilisation waren. Wir waren zwar überfordert mit der Menschenanzahl aber überglücklich dem Ziel so nahe zu sein!

Am letzten Tag sind wir dann gecruist, denn der Weg war ein Highway, immer wieder gabs Schilder und schon bald war der Moment gekommen an dem wir den Wald hinter uns ließen, erste Straßenschilder, Autos und Menschen sahen, Hunde bellen hörten,.. Hier liefen wir dann auch wieder schneller als die Beschreibung und waren in unter 4h um 11.26 zurück! Nach einer Tafel Schoki, einer Salami und relaxen, ließen wir dann mit der Fährenfahrt das Inselabenteuer müde aber stolz hinter uns..

Verloren hatten wir Lucys Jacke, eine Rolle Tape, Hüftspeck, Hygene und jede Menge Schweiss!

Doch gewonnen hatten wir viel an Erfahrung, an Fitness, an Wehwehchen, an Selbstvertrauen, an Fluchvokabular, an Dorfkindermomenten, an Immunität, an Gestank, an Durchhaltevermögen und an Teamgeist!

Und natürlich haben wir auch paar schöne Aussichten, Strände, einen Pinguin und sogar ein Kiwi Bird zu sehen bekommen. Die aber viel abverlangten..

Es folgten tatsächlich weitere Wandertrips, doch der nächste wird endlich wieder ein Bouldertrip! Ich freu mich..

Wenn ihr noch mehr wissen wollt zu Neuseeland allgemein und zu vorher, nachher, währenddessen des Stewart Island trips, dann gebts Bescheid- mein Tagebuch und Gehirn haben alles dokumentiert!

Grüße an Yaffi von den Kiwis, bleibt stark und bis in einem halben Jahr zurück in der Boulderwelt!

Isi Adolph