Urlaub steht vor der Tür, ein Strahlen huscht über das Gesicht, doch dann die Erinnerung an die Realität. ..
Wenn das Bewegungsrepertoire des Kletterers massiv eingeschränkt wird, keine Schulterzüge, kein Stützen, keine dynamischen Züge erlaubt sind und den Arm schmerzfrei über den Kopf zu bewegen auch nicht wirklich drin ist, dann heißt es entweder zum Plattengott mutieren oder einfach mal ganz woanders hin. Tja so sieht es eben mit einer lädierten Schulter aus. Aber jammern hilft auch nicht!
So geschah es also, dass ich mich zu anderen Zielen aufmachte. Eine für mich eher ungewöhnliche Packliste beinhaltet also: Tourenrucksack, Biwak- und Hüttenschlafsack, Regenjacke und Regenhose, Wanderstiefel, Kamera,… (die geliebten Kletterschuhe, Crashpad und Chalk müssen dieses Mal zurückgelassen werden).

Ich mache mich auf zu einer Karwendeldurchquerung! 7 Tage von Gipfel zu Gipfel, von Hütte zu Hütte. Nur ich, die Weite des Gebirges und mal sehen was so kommt…

Tag 1: von Mittenwald zur Hochlandhütte. Eine recht kurze Etappe, aber ein guter Einstieg. Das Wetter an diesem Samstag ist nicht super aber auch nicht schlecht. Bewölkt und 12 Grad. Aber ich bewege mich ja und deshalb ganz ok. Die 3 Stunden Aufstieg gehen schnell vorbei und am Ende diesen Tages ist auch der Lärm der Straße und sämtliche Schießübungen des Militärs verhallt…
Den Nachmittag verbringe ich auf der Hütte, da es mittlerweile wirklich kalt geworden ist. Doch ein atemberaubender Sonnenuntergang versüßt mir den Abend.

Tag 2: von der Hochlandhütte zum Karwendelhaus.
Angesagt mit 5:45 Stunden Weg, über einen an manchen Stellen ausgesetzten Steig. Als ich an diesem Morgen um 7 Uhr aus meinem Schlafsack krabbel sieht das Wetter noch ganz vernünftig aus. Nachdem ich nach einem leckeren Frühstück allerdings die Hütte verlasse um meine restlichen Sachen zu packen, nieselt es bereits… Naja erstmal nicht wild, Regenjacke an, Regenhülle über den Rucksack und los geht es! Und tatsächlich, am Wörnersattel angekommen (der höchste Punkt der heutigen Etappe) hört es auch wieder auf. Nur leider ist das nicht von allzu langer Dauer. .. gerade als ich mich mitten im Gjaidsteig befinde und mich am Drahtseil entlanghangeln muss, fängt es natürlich wieder an und diesmal so richtig. Mit Regenjacke geschweige denn Regenhose anziehen ist an dieser Stelle natürlich nichts. Mit dem Vertrauen „wird schon gleich wieder aufhören“ laufe ich erstmal auch ohne weiter. Doch nach weiteren 30 min Dauerregen gebe ich mich geschlagen und verpacke mich in Regenvollmontur. Die nächsten 3 Stunden wird sich daran auch nichts mehr ändern und so bleibt mir leider auch jeglicher Ausblick verwehrt, denn um mich herum ist alles weiß von Wolken. Als ich schon nicht mehr so genau weiß, wie weit es denn ist, denn eigtlich sollte man schon von Weitem die Hütte erkennen, fängt es doch noch an aufzureißen und gibt mir den Blick auf das Karwendelhaus samt Birkkarspitze frei. Von Sonne will ich dennoch nicht reden!!!
Anmelden, auspacken und erstmal Brotzeit machen, die ist verdient.
Nach einem kurzen Gespräch mit dem Hüttenwirt ist klar, meine beiden Optionen für morgen , Birkkarspitze oder Karwendelspitze sind beide gerade nicht möglich, da ohne Steigeisen keinerlei Chance zum Gipfel zu gelangen vorhanden ist, zu viel Schnee…

Tag 3: Hochalmkreuz und Falkenhütte
Nach einer kurzen Umplanung am vergangenen Abend begebe ich mich an diesem Morgen zunächst auf das Hochalmkreuz. Der direkt hinter dem Karwendelhaus gelegene Gipfel wird mein erster Gipfel dieser Tour sein. Da ich so früh aufgebrochen bin, bin ich noch alleine unterwegs und habe das Glück eine ganze Gruppe Gämsen und deren Kids beobachten zu können.
Nach diesem Abstecher mache ich mich nun also auf den Weg zur Falkenhütte. Mein Weg führt mich hierbei durch den kleinen Ahornboden, wo ich nach einem kurzen Gespräch mit dem Kuhhirten erst einmal Mittagspause mache und mich in die Sonne lege. Der Rest des Weges ist auch zügig bewältigt und meine Füße freuen sich bereits auf die Erholung, denn mittlerweile sammeln sich die Blasen.

Tag 4: Mahnkopf und Steinfalk
Da ich auch die kommende Nacht auf der Falkenhütte verbringen werde, habe ich mir für heute 2 Gipfel vorgenommen. Zunächst geht es auf den Mahnkopf (den Hausberg der Falkenhütte) von dort aus direkt weiter zum Steinfalk. Und wieder genieße ich es, der erste Mensch am Berg zu sein. In der Senke zwischen Mahnkopf und Steinfalk weidet gerade eine riesige Herde Gämsen. Dieses Mal sind es soviele, dass ich sie nicht zählen kann…
Der Weg zum Steinfalk gestaltet sich schon etwas schwieriger. Ohne klettern geht hier nichts! Ein kleines mulmiges Gefühl begleitet mich die letzten 100hm bis zum Gipfel, aber schließlich ist es geschafft!

Tag 5: Pausetag
Da mich leider ein mittlerweile entzündeter großer Zeh quält, beschließe ich das Gamsjoch auszulassen und einen Pausetag einzulegen. Daher kann ich den heutigen Tag ganz entspannt beginnen und erst spät zum Frühstück erscheinen. Ich verbringe den Vormittag in der Sonne liegend und am Nachmittag helfe ich in der Gaststube mit. Wenn mir kommendes Jahr 4 Monate langweilig sein sollte, kann ich zu Fritz, Peter und Rita zurückkommen 🙂

Tag 6: von der Falkenhütte zur Lamsenjochhütte
An diesem Morgen breche ich wieder früh auf, da bereits für nachmittags unbeständiges Wetter vorhergesagt ist und dieses kommt schneller als erwartet. Nach dem Frühstück verabschiede ich mich noch von Rita und beginne meinen Tagesmarsch. Vorbei an den Engalmen über den Panoramaweg führt mich diese Etappe ins nächste Tal. Pünktlich zum Mittagessen komme ich auch schon auf der Lamsenjochhütte an und freue mich auf einen entspannten Nachmittag. Nach 2 Stunden Erholung beschließe ich noch den gegenüberliegenden Schafjöchl zu besteigen. Nach diesem nochmaligen 2-Stunden-Ausflug habe ich mir meinen Kaiseschmarrn redlich verdient 🙂

Tag 7: Lamsenspitze und Abstieg zur Gramaialm
Der letzte Tag ist angebrochen und ich mache mich, dieses Mal mit Begleitung, auf den schwierigsten Gipfel meiner Tour auf, die Lamsenspitze. Diese ist nur über mehrere Drahtseilgesicherte Kletterpassagen zu erreichen, welche mich meine letzten Kraftreserven kosten. Aber geschafft ist geschafft und so machen wir uns auf den Weg ins Tal um das Ziel zu erreichen. Unten angekommen freuen sich meine Füße über die zurückgewonnene Freiheit und den Rest des Tages liege ich nur noch faul herum.
Es war eine ereignisreiche Woche, ich habe viele Gämsen, 2 Alpensalamander, ein Murmeltier, ne Kreuzotter und viele viele Kühe gesehen. Sehr liebe Menschen kennengelernt und war auf jeden Fall nicht das letzte Mal dort. Denn im Besonderen wartet noch das Gamsjoch von der Falkenhütte aus, auf eine Begehung von mir 🙂

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