Isi erzählt von ihrem Weg vom Leistungsgedanken zum Spaß am Sport.

Isi erzählt von ihrem Weg vom Leistungsgedanken zum Spaß am Sport.

Isi erzählt von ihrem Weg vom Leistungsgedanken zum Spaß am Sport.

Von Isi Adolph

2018 war ein verrücktes Jahr! Eine etwas späte Feststellung im August 2019, aber dennoch eine nützliche. In meiner recht soliden Laufbahn im Wettkampfklettern träumte ich als Jugendliche schon immer von einem Weltcup Start und ich wollte auch als Boulderin mal 8a am Seil klettern. Das waren auch keine utopischen Träume, wie man sie insbesondere als Teenie mal hat, im Gegenteil: eigentlich war beides zum Greifen nah. 2015 war mir der Weltcup Startplatz quasi schon sicher und ich fühlte mich richtig fit in diesem Sommer! Gerade liefen die Vorbereitungen für die Deutsche Meisterschaft im Bouldern und meine Boulderweltteamkollegen und ich hatten die Chance bei einer Simulation uns dafür vorzubereiten. Optimal! .. bis der Fuß wegrutschte, die rechte Schulter krachte und es bis in den Mittelfinger zog. Also wurde die DM gestrichen, die OP 4 Tage vor dem Weltcup eingeschoben und mit Arm in der Schlinge angefeuert was geht. Den Stimmbändern fehlte ja nichts… Es folgten eine lange Reha Zeit, ein gebrochener Mittelfuß im Frühjahr drauf, die Abiturprüfungen und dann endlich im verletzungsfreien Zustand die große Reise!! Erst mal Boulderurlaub in den Rocklands, dann 3 Monate Wandern und Reisen in Neuseeland, gefolgt von work & holiday in Australien. In dieser Zeit bekam ich einen ganz neuen Bezug zu dem Sport, den ich seit Kindesalter leidenschaftlich ausgeübt hatte. Die Gewichtung verschob sich von „Leistung bringen und Spaß dabei haben“ zu „Spaß haben und schauen was für ne Leistung damit verbunden ist“. Viel klettern statt schwer klettern. Auszeiten nehmen. Neues ausprobieren. Nicht gegen Erwartungen ankämpfen. Ich legte quasi einen Neustart hin, denn keiner kannte mich und konnte somit nicht mal indirekt, unabsichtlich und unbewusst Leistungsdruck ausüben. Was für ein Wahnsinns Gefühl! „Ich brauche gar nicht zu „performen“ um Spaß zu haben“. Meine Träume und Ziele erloschen in meiner Gedankenwelt und ich lebte einfach in den Tag hinein, voller Freude, was ich alles erleben werde. Mit dieser Einstellung machte ich dann sogar in Sydney mal einen Wettkampf mit und es fühlte sich alles so anders an. Mein Konkurrenzdenken war wie verpufft und ich konnte einfach mit nem dicken Grinsen coole Boulder klettern. „Mega cool“, dachte ich mir völlig schwerelos. Der Fakt, dass das Ergebnis auch noch gut war, spielte gar nicht wirklich eine Rolle.

Isi erzählt von ihrem Weg vom Leistungsgedanken zum Spaß am Sport.

Isi erzählt von ihrem Weg vom Leistungsgedanken zum Spaß am Sport.

Isi erzählt von ihrem Weg vom Leistungsgedanken zum Spaß am Sport.

Nach 16 Monaten reisen, arbeiten und klettern gings vom australischen Sommer dann in den Winter im schönen Bayern zurück. In den Alltag zurück finden, Freunde und Familie wiedersehen, Weihnachten, Neujahr,.. und auch das Bouldern und Klettern fand wieder seinen Platz – auch wenn ein wenig anders. Ich „musste“ nicht mehr 3-5 Mal trainieren gehen, sondern ich ging wann ich Lust und Zeit hatte. Das war dann zwischen 1 und 3 Mal die Woche. Mein Umdenken bewährte sich also auch zurück im Alltag. Dann stand die Süddeutsche Meisterschaft an und ich war voll im inneren Zwiespalt: „machst du mit oder lässt du’s sein?! Ach, einfach mal just for fun mitmachen. Die Routenschrauber haben sich bestimmt coole Boulder einfallen lassen und Tübingen ist ja nicht allzu weit. Keine Ziele, keine Erwartungen“ Hingefahren, mega viel Spaß gehabt und es lief gut!

Also stand im Sommer die Deutsche Meisterschaft an… „wenn man sich qualifiziert, dann kann man ja auch hinfahren“, dachte ich mir, verunsichert wie sich das auf mein Leistungsdenken auswirken würde. Packen mich doch wieder der Ehrgeiz, das Konkurrenzdenken und das Verlangen nach Erfolg und Anerkennung? Eine Versuchung war es allemal. Und dann startete es mit der Quali: war das NICE! Glückshormonausschüttung in 3facher Menge, tolle Boulder, super starke Jungs und Mädels und ich war ganz entspannt mittendrin. Meine Leistung war so lala und umso schöner war es, dass ich einfach richtig Freude haben konnte und den Start genießen konnte. Recht knapp reichte es dann auch fürs Halbfinale und der Flow ging dann erst richtig los. Lachend auf der Matte kurbelten meine Glückshormone den Bizeps an und dann liefs einfach. Egal ob Top oder Flop, ich lachte entweder übers Top oder über meine Ungeschicklichkeit oder die fehlende Spannung. Kein Grund sich aufzuregen, einfach lachen. Das herzliche Mitlachen meines Trainers Tom und meiner Freunde machten das zum einem für mich Wahnsinns Halbfinale. Aber haaaaaaalt stop. Erst mal die anderen anfeuern! Heute ist ein wichtiger Tag, wo jeder Teilnehmer zeigen kann was er drauf hat, wofür er viele Stunden trainiert hat… Der Kampfgeist war der Wahnsinn. Ich war völlig überwältigt und überfordert und dachte einfach „jeder verdient es im Finale zu klettern, jeder fightet hart und pusht seine Grenzen, Wahnsinn!“ Ich war so beeindruckt von den Leistungen und der brennenden Leidenschaft. Das machte mich total baff.

Isi erzählt von ihrem Weg vom Leistungsgedanken zum Spaß am Sport.

Isi erzählt von ihrem Weg vom Leistungsgedanken zum Spaß am Sport.

Isi erzählt von ihrem Weg vom Leistungsgedanken zum Spaß am Sport.

Was sollte ich da sagen? Ich wollte mich gar nicht freuen, als ich erfuhr, dass ich mich ins Finale gemogelt hatte, obwohl ich mich natürlich riesig freute! „Die anderen haben es doch viel mehr verdient“, dachte ich mir. „Ich möchte so viel Dankbarkeit und Wertschätzung wie möglich vermitteln, da viele sich diesen Platz im Finale gewünscht oder erwartet hatten. Also Isi, zeig nochmal, dass du glücklich darüber bist und es jedem anderen ebenso gönnen würdest“. Das war mein Ziel fürs Finale. Wie die Umsetzung war, können nur die andern beurteilen und ich nicht.

Doch es war Wahnsinn. Ich fühlte mich bestätigt, dass ich einen entscheidenden Schritt weg gemacht hatte von Ehrgeiz, Druck und Wille! Einen Schritt hin zu einer für mich gesünderen Haltung zum Sport, zum Leistungsdenken. Dem voraus ging tatsächlich eine recht schnelle 8a Begehung und dem folgte mein erster Weltcup Start in meiner Heimatstadt. Langjährige Ziele, die ich im Jahr zuvor schon aus meiner Traumwelt gelöscht hatte. Nicht, weil sie unmöglich waren, sondern weil ich aus „ich will unbedingt Weltcup starten und 8a klettern“ ein „ich genieße den Spaß am Klettern“ wurde.

Jetzt, ein gutes Jahr später, ein fast kletterfreies Jahr aufgrund von Verletzungen, widme ich mich langsam wieder dem Sport, verabschiede mich endgültig aus dem Wettkampfgeschehen und werde nach Lust und Laune in der Halle oder am Fels meinen Spaß haben und die Erfahrungen nach Möglichkeit an meine Youngsters Gruppe weitergeben.

Danke liebe Boulderwelt für die viele ununterbrochene Unterstützung, liebes Mantle Team für eine Chalk Flat und lieber Stefan von Bleau Boulderwear für die tollen Outfits. Ihr seid der Wahnsinn! Ein fettes DANKE!