von Freddy Petri

Als ich träge meinen Winterspeck kraulte und mir gelangweilt mein Fell kämmte, flog auf einmal ein blau-schwarz-gelber Brief in meine Höhle. Da ich nicht allzu oft Post bekomme, war ich ganz außer Rand und Band und hüpfte wild durch die Werkstatt der Boulderwelt. Post von den Bahamas? Sollte ich da womöglich einen Kindergeburtstag besuchen? Was man da wohl für eine Sprache spricht? Ob die Yaffisch verstehen? Und lohnt es sich überhaupt dort hinzufahren wenn man wasserscheu ist? Doch bevor ich meine rasenden Gedanken sortieren konnte, entdeckte ich einen wunderschönen blauen Kreis auf der Rückseite des Briefes. Das konnte nur die Einladung zum 2. Geburtstag der Frankfurter Boulderwelt sein. Kein Zweifel!

Ich warf einen Blick in meinen Winterschlafkalender. Da stand für die nächsten zehn Tage: „mich fett essen und durchschlafen“. Nach den neuesten Gesichtspunkten entschloss ich mich jedoch meinen Winterschlaf einfach früher abzubrechen. Ich konnte auf gar keinen Fall den Geburtstag meiner Freunde verschlafen! Und noch weniger konnte ich die Menschenkinder mit meiner Abwesenheit enttäuschen. Planänderung: Fett essen bleibt, statt Schlafen jedoch Fellpflege und heimlich an den Münchner Bouldern trainieren.

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Kaum hatte ich meinen kuscheligen Sixpack wieder auf Vordermann gebracht und Geburtstagsluftballons besorgt, ging es auch schon gemeinsam mit ein paar Boulderfreunden aus München los. Ich kutschierte uns am Freitagnachmittag in einem flotten A4 Richtung Frankfurt.

Mit verklebten Augen wackelten wir Samstagfrüh Richtung Boulderwelt. Einen Schritt hinein in die gute Stube und die Müdigkeit war verflogen. Meine Augen weiteten sich und meine Kinnlade konnte ich nicht mehr vorm Runterfallen bewahren: Was für geile 60 Boulder hatten die Schrauber für den Day of the Boulder gezaubert! Meine Fellpfoten wurden ganz kribbelig.

Mit meiner Boulderfreundin Afra trug ich mich in die Teilnehmerliste und bekam einen Laufzettel. Ohne lang zu fackeln wuselten wir auch schon zusammen durch den Parcoursbereich, wärmten uns an leichteren Bouldern auf und sammelten damit die ersten Punkte. Danach ging es an die knackigen Probleme, an denen wir unsere Finger und Pfoten aufschrubbelten. Mein Boulderherz schlug höher bei all den Highlights, wie die seitlichen Sprüngen oder Plattenschiebeboulder. Ein weißer Zangenboulder machte mich allerdings ganz wuschig: Nach ein paar schweren Zügen fiel ich immer wieder oben auf der Ausstiegsplatte raus, weil mich mein flauschiges Hinterteil unnachgiebig nach unten zog. Da half nur noch eine Knuddelumarmung von zwei Kindern! Mit etwas mehr Konzentration schaffte ich den Boulder dann doch noch. Afra und ich zogen weiter an die Wettkampfwand, die wir von rechts nach links abzuarbeiten versuchten. Bis auf wenige Ausnahmen funktionierte das auch recht gut. Während Afras Menschenhaut sich immer weiter abnutzte und ihre kleinen Muskeln anfingen schlapp zu machen, schienen sich mein Körper und meine acht Fellfinger immer mehr an die harte Belastung zu gewöhnen. Sogar der Rettungsring, den ich um die Hüfte zum Schutz meines Sixpacks trage, machte sich kaum noch bemerkbar.

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Während wir boulderten und quatschten, bemerkten wir gar nicht wie schnell die Zeit verflog. Wir hatten bereits alle mittleren und schweren Boulder erfolgreich gemeistert. Es blieben für mich lediglich vier sehr schwere und etwa 30 leichtere Boulder übrig. Nach einem Blick auf die Uhr sah mich Afra erschrocken an: „Yaffi, schwing dein Hinterteil hoch! Wir haben nur noch 40 Minuten!“. Und so rannten wir quasi durch die restlichen Boulder bis wir am Ende der Zeit alle für uns machbaren Boulder bewältigt hatten und schweißgebadet die ersten blutenden Finger von Afra schleckten. Geplättet legten wir uns an den Mattenrand und hofften auf neue Energie. Doch da kam schon der übermotivierte Moderator und zerrte uns an die Wettkampfwand, vor der sich bereits alle Teilnehmer und Besucher tummelten. Ich war so fix und fertig, dass ich nur die Hälfte mitbekam. Irgendwas von Springen, sagte er und ich solle meinen Namen auf ein Blatt schreiben. Normalerweise brechen die zarten Stifte immer unter meinen kräftigen Pfoten zusammen. Heute nicht, ein Zeichen dafür wie ausgelaugt ich war. Also kritzelte ich meinen Namen auf das Papier. Was hatte ich da nur unterschrieben? Afra wusste mehr als ich: ein Highjump-Contest. Sobald die Information in meiner grauen Gehirnzelle ankam, rief ich laut: „Spinnt ihr!? Yaffis können gar nicht springen. Die können nur Kinder kuscheln und sich den Bauch streicheln lassen.“ Zu spät! Aus der Nummer kam ich nicht mehr raus. Gut, dass ich so groß bin. Der erste Griffabstand war so kurz, dass ich mit meiner Übergröße und -breite fast ohne Schwung zuschnappen konnte. Eigentlich war es sogar ein echt lustiges Gefühl durch die Luft zu fliegen. Nachdem Afra und alle anderen Mädels gesprungen waren, kam ich wieder an die Reihe. Und hopp, da hatte ich wieder den Zielgriff in der Pfote. Bevor ich sagen konnte: „Den nächsten schaff ich nicht mehr“, war ich schon wieder dran. Doch das nächste Sprunglevel war unbezwingbar. Da konnte ich noch so hüpfen und stolpern. Keiner von uns schaffte das. Damit entschied sich der Sieg über die Runde zuvor, in der ich den Hüpfer als einzige beim ersten Versuch geschafft hatte. Ich war also yaffische Hüpfmeisterin des Abends! So was war mir bisher noch nie passiert!

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Gleich darauf fand auch die Siegerehrung des eigentlichen Wettkampfes statt. Eine Frankfurterin wurde Dritte, Afra und drei weitere Mädels wurden mit 53 geschafften Bouldern Zweitplazierte und ich durfte mich mit 56 geknackten Bouldern auf die Podiumsspitze stellen. Wahnsinn! Ich hatte so viel Spaß mit den Menschen bei ihrem tollen Event. Als ich dann auch noch von ihrem Menschengetränk „Schlapper Seppl“ probieren durfte, wurde mir ganz warm ums Herz. Was für ein Tag!

Am Sonntag machte ich mich dann noch einmal auf in die Boulderwelt, um das zu tun wofür ich geboren wurde: Kinder beglücken! Kurz vor dem Eingang blieb ich stehen: So viele Besucher! Gibt‘s hier was umsonst? Na klar! Es war Tag der offenen Tür und jede Menge Menschenfamilien stürmten in die Boulderwelt, um mit mir und den anderen Boulderweltfreunden einen lustigen Sonntag zu verbringen. Zusammen mit meinen kleinen Boulderfreunden schickten wir die mitgebrachten Geburtstagsluftballons auf die Reise. Wie schön! Ich könnt mir wirklich kein besseres Ende meines Winterschlafes vorstellen! Vielen Dank, liebe Boulderwelt Frankfurt!

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